1. Biologische Faktoren
Hunger und Sättigung sind keine reine Willenssache. Unser Körper hat ein ausgeklügeltes System, das signalisiert, wann wir essen sollten – und wann wir aufhören sollten. Dabei spielen nicht nur Magen und Darm eine Rolle, sondern auch viele Hormone und Signale im Gehirn.
Unser Körper hat ein „Lieblingsgewicht“
Viele Forschende gehen heutzutage davon aus, dass unser Körper ein sogenanntes Set-Point-Gewicht verteidigt – also einen bestimmten Bereich, in dem er sich energetisch sicher fühlt. Sobald wir stark davon abweichen – etwa durch Diäten oder plötzlichen Gewichtsverlust – reagiert das System: Der Hunger steigt, der Energieverbrauch sinkt. Es ist, als ob der Körper auf Alarm schaltet. Dieser Schutzmechanismus macht evolutionär Sinn, kann aber frustrierend sein – vor allem, wenn man sich wünscht, dauerhaft abzunehmen. Egal wie wir den Körper im Labor biologisch „manipulieren“, am Ende gleicht er das an irgendeiner Stellschraube wieder aus und kommt wieder zu seinem „Lieblingsgewicht“. Die gute Nachricht: Durch eine langfristige Veränderung von Lebensstil, Stress und Essverhalten kann sich dieser Set-Point mit der Zeit verschieben. Hier ein kurzer Einblick in solche Stellschrauben:
Der Bauch spricht mit dem Gehirn
Schon während wir essen, melden bestimmte Botenstoffe aus dem Verdauungstrakt dem Gehirn: „Genug!“. Diese Sättigungssignale entstehen z. B., wenn der Magen gedehnt wird oder energieliefernde Nährstoffe im Dünndarm festgestellt werden.
Manche dieser Stoffe wie Secretin oder Cholecystokinin wirken sehr schnell – sie sorgen dafür, dass wir nach einem Teller Nudeln nicht noch zehn weitere wollen. Andere Sättigungshormone wie PYY oder GLP1 wirken eher langfristig und sorgen dafür, dass wir nicht direkt wieder Hunger bekommen. Die Abnehmspritze wirkt letztlich genau an dem Rezeptor einer dieser Sättigungshormone aus dem Darm, dem GLP1-Rezeptor. Natürlich haben diese Wirkstoffe der Abnhemspritze, aber noch anderorts Effekt als an der Sättigung.
Umgekehrt gibt es aber nur ein einziges Hormon, das den Hunger anheizt – Ghrelin Spiegel steigen, wenn der Magen leer ist, und sinken nach dem Essen. Dieses Signal hilft dem Körper, frühzeitig vor einem Energiemangel zu warnen.
Auch der Blutzucker hat Einfluss
Fällt der Blutzucker stark ab, kann das Heißhunger auslösen – besonders auf schnelle Energie wie Süßes. Deshalb ist es wichtig, über den Tag verteilt regelmäßig zu essen, wenn man zu extremen Schwankungen neigt.
Das Gehirn entscheidet mit
Im Gehirn, vor allem im sogenannten Hypothalamus, werden alle hormonellen, aber auch neuronalen Signale aus dem Körper verrechnet. Dort wird neben vielen anderen Körperfunktionen auch ständig abgewogen: Nehmen wir genug Energie auf? Braucht der Körper mehr Energie? Jenachdem, ob diese Waagschaalen auf Energiebedarf oder „genug“ kippen, haben wir phasenweise mehr Hunger oder weniger. Ziel sollte es sein sich bedarfsgerecht zu ernähren, weil sonst einfach dieser innerer Schalter umgekippt wird und damit beginnt unsere Bemühungen zu kompensieren.
Dabei kommen auch unsere Energiereserven ins Spiel: Das Fettgewebe produziert ein Hormon names Leptin. Je mehr Körperfett, desto mehr Leptin. Dieses meldet dem Gehirn wie viel Energie zur Reserve steht.
Bei Menschen mit Adipositas funktioniert dieses System anders. Die Empdindlichkeit mit der dieses Signal „gehört“ wird nimmt ab – man spricht von einer Leptinresistenz. Der Körper produziert dann viel mehr Leptin, um das wieder auszugleichen. Zwar ist damit „die Kommunkation“ zwischen Fettgewebe und Gehirn wiederhergestellt, aber die Leptin Spiegel sind erhöht. Dabei hat Leptin eben noch andere Effekte im Körper. Die genauen Konsequenzen sind aber noch nicht genug untersucht bzw. auch, ob dies ein effektiver und sicherer Ansatz zur Adipositastherapie sein könnte.
